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13. 12 月 2021
5 Minutes
Wolfgang Posch, Arineo Kollege aus dem SAP Commerce Bereich.

D2C-Commerce aus Leidenschaft

Der Hype rund um das Business-Modell Direct-to-Consumer (D2C) mischt nicht nur das Konsumgütersegment auf. Auch das eine oder andere B2B-Business wurde bereits davon erfasst. Und wenn man unserem Kollegen Wolfgang Posch zuhört, wie er von seiner Leidenschaft für D2C-Geschäftsmodelle und für gelungene Customer Journeys erzählt, dann kommt man nicht umhin, mehr wissen zu wollen.

D2C Commerce begeistert dich. Warum?

Customer Experience ist genau mein Ding. Mich fasziniert die Bereitschaft und die Anstrengungen der Unternehmen, ihren Kunden das bestmögliche Erlebnis im Umgang mit ihren Marken, Produkten und Services zu bieten. Glückliche Kund:innen erzählen von ihren Erlebnissen, treten für die Marke ein und bleiben ihr treu. Besonders gefällt mir daran, dass es im Endeffekt immer um den Menschen geht, und nicht so sehr um Umsätze oder Margen. Der Mensch steht im Zentrum. Kein Marketinggeld dieser Welt kann einen zufriedenen Kunden aufwiegen.

Das gilt grundsätzlich für alle Geschäftsmodelle – sei es B2B, B2C und B2B2C. Im D2C, eine Spezialform des B2C-Business, ist es darüber hinaus erforderlich, dass sich Hersteller selbst um die Bedürfnisse und positiven Interaktionen mit Endverbraucher:innen bemühen. Bislang – und das wird auch weiterhin vielerorts so bleiben – waren Groß- und Einzelhandel das Bindeglied zwischen Herstellern und Endverbraucher:innen. Im D2C-Business geht es für die Hersteller darum, in Erfahrung zu bringen, ob und wie ihre Endkunden von ihren Produkten profitieren. Datenströme, die diese Parameter erfassen, wurden selten bis nie etabliert und das Kundenverhalten vor dem Kauf hat sich zusehends ins Internet verlagert.

Mich fasziniert die Frage: wie kann ich Online-Technologien so einsetzen, dass sie Menschen begeistern, glücklich machen und ihnen einen echten Mehrwert bieten? Das Leben ist zu kurz für schlechte Begegnungen. Positive Interaktionen, sei es zwischen zwei Menschen oder einem Menschen und einem Unternehmen, bewegen etwas in uns. Und wenn die Customer Journey wirklich stimmt, folgen Umsätze und Margen automatisch.

 

Wie werde ich mit einem D2C-Geschäftsmodell Erfolg haben?

Tja, das ist tatsächlich die 1-Million-Dollar-Frage. Und leider gibt es keine universell gültige Antwort. Es kommt immer auf das Unternehmen und sein Ökosystem an. Welche Güter vertreibt es? Welche Kunden sollen erreicht werden? An welchem Markt agiert es? Generell kann man aber ein paar grundlegende Tatsachen festhalten:

  • Direct-to-Consumer ist eine massive Umwälzung für viele Unternehmen. Es erfordert neue Prozesse – das gelingt noch den meisten. Vor allem aber müssen alte Annahmen und Prozesse losgelassen werden, um neue Ziele anzustreben – und das ist schon schwieriger. Deshalb hat sich eines als besonders wertvoll herausgestellt: mit einem abgegrenzten Pilotprojekt in einem definierten Markt zu beginnen, um dort Erfahrungen zu sammeln und das Konzept auf den Prüfstand zu stellen. Stichwort: niedrige TCOs (Total-Cost-of-Ownership). Zudem gibt es neben den technologischen Aspekten auch viele unternehmerische Fragestellungen zu berücksichtigen: habe ich alle Kompetenzen im Haus? Muss ich (um-)schulen? Outsourcen? Reichen meine bestehenden Produktionskapazitäten aus? Solche Herausforderungen kristallisieren sich oft im Laufe eines Projekts heraus – deshalb bin ich auch ein Fan von iterativen und agilem Vorgehen.

 

  • Je mehr Daten vorhanden sind und je besser sie analysiert und verstanden werden, desto besser wird die Customer Journey. Konkret bedeutet das: Daten müssen möglichst an allen Touchpoints gesammelt werden, damit die Bedürfnisse der Kunden wirklich verstanden werden. Und das nicht nur im Bereich des Produkts, sondern zum Beispiel auch in Bezug auf die Wahl der Bezahlmethode, Produktempfehlungen oder individueller Konfigurationsmöglichkeiten. Hier bietet es sich an, sich bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen durch künstliche Intelligenz unterstützen zu lassen. Dafür gibt es schon einige sehr anwendungsfreundliche Lösungen am Markt, die auch ohne tiefes Know-how genutzt werden können. Das hört sich aufwendig an. Doch im Endeffekt profitieren davon nicht nur die Kunden, sondern auch das Unternehmen: weniger Retouren, höhere Kaufhäufigkeit – es zahlt sich aus!

 

  • Bei der Wahl der Lösung sollte ein besonderes Augenmerk auf die Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und einer möglichst kurzen Einführungszeit gelegt werden. Es kann ja sein, dass das Pilotprojekt erfolgreich ist und sich etablieren will. Dann muss das Wachstum gesichert sein. Besonders wichtig ist auch, dass sich das Tool nahtlos in die bestehende IT-Landschaft einbettet – sonst wird das mit der umfassenden Datenanalyse nichts. Hingegen nehmen sich die unterschiedlichen Lösungen am Markt in Sachen Usability heutzutage nicht mehr viel, daher würde ich diesen Aspekt etwas aus dem Fokus nehmen. Im Endeffekt sollten Anwendende sowieso geschult werden, damit sie die Lösung umfänglich nutzen können.

 

Teilst du noch ein paar Best Practices mit uns?

Klar, gerne! D2C-Commerce bietet eine exzellente Spielwiese, um neue Sachen einfach mal zu probieren. Innovation often wins! Zum Beispiel kann man heute noch gut im Contextual Commerce punkten – also an jedem Touchpoint eine Kaufoption anbieten. Dafür eignen sich die sozialen Medien besonders gut. Auch Conversational Commerce hat großes Potenzial: Mit Messenger Services oder WhatsApp-Integration einen Kaufprozess mit extrem niedriger Schwelle anzubieten, lohnt sich für so manches Business.

Überhaupt ist es ratsam, sich vermehrt auf die einzelnen Zielgruppen innerhalb der eigenen Kundenlandschaft zu fokussieren – sie in eigenen Kanälen zu bespielen und mit ihnen zu interagieren. Technisch bedeutet das, ein zentrales Backend zu haben und mehrere, eigenständige Frontends für jede Zielgruppe. Ein Beispiel kann sein, dass ein Outdoor-Onlineshop sowohl Nordic-Walking, sowie Bergsteigen und Extremklettern umfassen will. Jede Zielgruppe hat aber ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche an ihr Equipment. Stichwort: Menüs und Produktfilter. Das muss in der Produktkonfiguration im Backend kompliziert abgebildet werden, um den Bedürfnissen der Kundschaft am Frontend gerecht zu werden. Einfacher ist es, zum Beispiel die Extremkletterer an einem eigenen Portal mit der passenden Produktauswahl am Storefront zu bedienen und sie dort durch Influencer in ihrer Customer Journey abzuholen. Silos nach Außen, volle Integration nach Innen, sozusagen.

Unternehmen, die zeitnah den Schwenk hin zu D2C prüfen und vielleicht auch realisieren wollen, werden einen noch relativ freien Markt vorfinden: es gibt noch wenige namhafte Konsumgüterhersteller, die bereits in den Markt gedrungen sind. Dabei gibt es inzwischen sehr gute Lösungen, die sich perfekt in die bestehende IT-Infrastruktur gestandener Unternehmen einbetten.


Danke für das Gespräch, Wolfgang.