Jessica Förster und Eileen Zimbal
20. 8 月 2025
Update: 20. 8 月 2025

Demografischer Wandel, Gen Z & Co. im Azubi-Recruiting

Instant-Feedback, schneller Zugriff auf Informationen, individuelle Gestaltungsmöglichkeiten: Mit der Generation Alpha (ab 2010) steht die nächste Generation bereits in den Startlöchern. Dabei ist Gen Z (1995 bis 2010) noch immer ein aktuelles Thema in den Unternehmen. Hinzu kommen sinkende Geburtenraten und damit der demografische Wandel. Er macht sich im Azubi-Recruiting sowohl durch weniger Bewerber:innen als auch durch weniger qualifizierte Bewerbungen bemerkbar.

Im Rahmen eines Zertifikatsprogramms zur professionellen Beratung beschäftigt sich Jessica Förster bei der Agentur für Arbeit Göttingen mit den Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Recruiting. Bei unserer Kollegin und Ausbildungsverantwortlichen Eileen Zimbal holte sie sich Antworten aus der Wirtschaft auf aktuelle Fragen.

Jessica Förster: Wird es zunehmend schwieriger passende Auszubildende zu finden? Wie macht sich das bemerkbar?  

Eileen Zimbal: Ja, die Anzahl der Bewerbungseingänge wird geringer, doch auch die Zahl passender Bewerber:innen schrumpft stetig. Hinzu kommt, dass viele Jugendliche die Berufsbilder, die wir anbieten, gar nicht kennen. Das merken wir insbesondere bei der Suche nach Auszubildenden für den Bereich Fachinformatik mit Schwerpunkt „Daten- und Prozessanalyse“. Hierbei handelt es sich um einen durch die Neuordnung der IT-Ausbildungsberufe noch relativ unbekannten Ausbildungsgang. Bei uns ist dieser auf die Tätigkeit als Berater:in für unsere Kunden im Microsoft-Dynamics-Umfeld ausgerichtet. Hier kommt es darauf an, die Kunden und ihre Bedürfnisse zu verstehen, um darauf basierend passende Lösungen zu finden.

Jessica Förster: Gibt es Änderungen im Vergleich zu den Vorjahren? 

Eileen Zimbal: Die Recruitingphase verschiebt sich mehr und mehr in das Jahr, in dem die Ausbildung starten soll. Ich habe mich damals direkt nach den Sommerferien für den Start im August des Folgejahres beworben. Mittlerweile lässt sich keine genaue Hochphase mehr erkennen. Viele Schüler:innen bewerben sich erst nach dem Jahreswechsel, manche sogar erst nach dem Schulabschluss. Hinzu kommt auch, dass viele erst einmal ein Gap Year absolvieren. Da unsere Ausbildungsgänge anspruchsvoll sind, setzen wir bei unserer Auswahl auf Abiturient:innen oder sehr gute Realschüler:innen. Abiturient:innen entscheiden sich jedoch meist für ein Studium. Das bereitet uns zusätzliche Schwierigkeiten, da sich dadurch die Gruppe potzenzieller Bewerber:innen weiter verringert.

Jessica Förster: Welche Strategien nutzen Sie, um Auszubildende zu rekrutieren?    

Eileen Zimbal: Wir arbeiten mit weiterführenden Schulen an unseren Ausbildungsstandorten zusammen und bieten ganzjährig Praktika an. Beliebt sind auch die Zukunftstage, an denen Schüler:innen sich einen ersten Eindruck von der Arbeitswelt bei uns verschaffen können. Wir setzen zudem auf persönliche Kontakte – beispielsweise über unsere Mitarbeitenden. Weniger erfolgreich sind klassische Anzeigen oder breit gestreute Online-Kampagnen ohne Zielgruppenfokus. 

Wir merken, dass junge Menschen vor allem auf persönliche Erlebnisse und authentische Begegnungen reagieren. Unsere Kommunikationsstrategie passen wir ständig an und hinterfragen kontinuierlich, welche Maßnahmen wirklich wirken. Wir merken zudem deutlich, dass auch das Image und die Sichtbarkeit des Arbeitgebers entscheidend sind. Daher ist es von Vorteil, einen hohen Bekanntheitsgrad und ein gutes Image an den Ausbildungsstandorten zu haben.

Jessica Förster: Wie sah Ihr Rekrutierungsverhalten in den letzten Jahren aus und wie wird es sich in Zukunft ändern?  

Eileen Zimbal: Früher reichte es aus, seine Ausbildungsplätze einfach auszuschreiben. Heute müssen wir proaktiv auf unsere Zielgruppe zugehen – durch Events, Social Media oder gezielte Ansprache in Schulen. Wir wählen eher digitale Medien, sind persönlicher in der Ansprache und im Umgang mit den jungen Leuten sowie kreativer in der Wahl unserer Kommunikation. Wir müssen unsere Zielgruppe genau im Blick haben und stetig an der Art unserer Ansprache arbeiten.

Jessica Förster: Wie sieht ihre Zielgruppe aus, die sie erreichen möchten? Welche Erwartungen haben Sie an die Bewerber:innen, die sich bei Ihnen um eine Ausbildung bewerben?  

Eileen Zimbal: Wir suchen motivierte junge Menschen mit einer hohen Affinität zu IT-Themen. Das können Abiturient:innen, Studienabbrecher:innen oder Quereinsteiger:innen mit beruflicher Vorbildung sein. Auch Realschüler:innen mit guten Abschlüssen sind uns willkommen. Wichtig sind uns bei allen Bewerber:innen Leistungsbereitschaft und Begeisterungsfähigkeit, ebenso ein gewisses Maß an Selbstorganisation und eine hohe Lernbereitschaft. 

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Jessica Förster: Mussten Sie Ihre Erwartungen/Anforderungen/Kriterien (nach oben / nach unten) anpassen?

Eileen Zimbal: Wir suchen motivierte junge Menschen, die Leistungsbereitschaft und Engagement mitbringen. Daran hat sich nichts geändert. Was sich jedoch weiterentwickelt hat, ist unser Verständnis für die Zielgruppe. Durch die Arbeit mit Personas wissen wir heute, was junge Menschen von einem Arbeitgeber erwarten und darauf stellen wir uns ein. Entscheidend ist letztlich der Eindruck, den wir uns von den Bewerbenden in den Vorstellungsgesprächen machen. Technisches Vorwissen ist da sicherlich auch ein Plus, aber nicht alles. Viel wichtiger ist: Hat jemand Lust auf das Thema? Zeigt er/sie Motivation und Neugier? Hat die Person Entwicklungspotenzial?

Jessica Förster: Was macht Sie als Ausbildungsbetrieb besonders für junge Menschen attraktiv?  

Eileen Zimbal: Unser Ausbildungsprogramm bietet von Anfang an echte Verantwortung, flache Hierarchien und ein wertschätzendes Umfeld. Die Azubis arbeiten früh in realen Projekten mit, erleben Kollegialität auf Augenhöhe, können und sollen unser Unternehmen mitgestalten und werden individuell gefördert. Natürlich erwarten wir Leistungsbereitschaft, doch wir bieten unseren Azubis individuelle Entwicklungsperspektiven über die Ausbildung hinaus – das ist für viele ein echter Pluspunkt. 

Jessica Förster: Haben sich in den letzten Jahren bestimmte Zielgruppen ergeben, die Sie verstärkt in den Fokus nehmen, bspw. junge Geflüchtete oder Studienabbrecher:innen?  

Eileen Zimbal: Ja, Studienabbrecher:innen sind eine spannende Zielgruppe, weil sie oft schon Selbstreflexion und ein klares Interesse mitbringen. Auch berufliche Umsteiger:innen mit ersten Erfahrungen in technischen Bereichen konnten wir bereits erfolgreich integrieren. Wichtig ist bei solchen Zielgruppen, Orientierung zu geben und Einstiegshürden zu senken. 

Jessica Förster: Laut vorliegender Studien hat die Generation Z eine besondere Erwartungshaltung in Bezug auf die Work-Life-Balance, die Mitsprache im Betrieb, die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, an Umweltthemen sowie Weiterbildungsmöglichkeiten, an flexible Arbeitszeiten und Homeoffice. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?  

Eileen Zimbal: Wir merken, dass Mitsprache, Flexibilität und eine gute Atmosphäre zunehmend wichtiger werden. Viele wollen nicht nur „funktionieren“, sondern mitgestalten und verstehen, warum sie etwas tun. Das stellt uns als Betrieb vor Herausforderungen, bietet aber auch eine große Chance, gemeinsam moderne Arbeitsweisen weiterzuentwickeln. 

Jessica Förster: Inwieweit sind Sie als Arbeitgeber bereit bzw. auch in der Lage, den Erwartungen der künftigen Generation entgegenzukommen?  

Eileen Zimbal: Wir haben viel zu bieten: eine kollegiale Organisation, flache Hierarchien, Entwicklungsperspektiven, eine Feedbackkultur und hybride Arbeitsmodelle. Natürlich gibt es Grenzen, beispielsweise bei der Möglichkeit, in der gesamten Ausbildungszeit im Homeoffice zu arbeiten. Wir sind der Meinung, dass eine direkte Begleitung nur vor Ort gelingen kann und dass Lernen am Arbeitsplatz wichtig ist, um sich ins Unternehmen bzw. die Unternehmenskultur zu integrieren und eine Bindung ans Unternehmen aufzubauen.

Es geht letzten Endes gar nicht so sehr darum, der jungen Generation besonders entgegenzukommen, sondern darum, die passenden Menschen für unsere Teams und ein gutes Miteinander aller Generationen im Arbeitsalltag zu finden. Der demografische Wandel ist dabei eine besondere Herausforderung, die wir nur gemeinsam meistern können.

Vielen Dank an Jessica Förster, dass wir dein Interview mit Eileen veröffentlichen dürfen.

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Susanne Spellerberg

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